Es wird besser

Max Roser hat eine Unmenge an Menschheitsdaten eindrucksvoll aufbereitet: «Man muss ja wissen, wie die Welt sich verändert.»

Peter Glaser
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Fisher Studios

Sie betreiben eine Website, auf der Sie mit Infografiken zeigen, wie die Welt sich wandelt – oft anders, als man es erwartet. Wie hat das alles angefangen?

Meine ursprüngliche Idee war, ein gutes altes Buch zu schreiben. Ich habe angefangen, die ganzen Daten zu sammeln, die ich brauche, um zu zeigen, wie die Welt sich verändert. Das ist ein bisschen aus dem Ruder gelaufen. Es passte nicht mehr in ein Buch. Also habe ich angefangen, online zu publizieren, um das Material frei verfügbar zu machen.

Gab es einen speziellen Anlass?

Ich war einmal ein halbes Jahr in Rio und überrascht zu sehen, wie schnell sich die Lebensbedingungen in Brasilien verändern. Sinkende Armut, sinkende Einkommensungleichheit – mein Forschungsthema. Ich dachte: Das muss man mitteilen.

Die Nachrichten sind überraschend positiv.

Wenn man das empirisch betrachtet, wie die Welt sich über lange Zeiträume verändert hat, ist es relativ schwierig, das pessimistisch darzustellen. Es sind aber nicht nur optimistische Daten. Zum Klimawandel etwa gibt es wenig erfreuliche Entwicklungen.

Sie schreiben: «Wir leben in der friedlichsten Epoche der menschlichen Spezies.» Aber es sind so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.

Es geht ja nicht darum, darüber hinwegzutäuschen, dass es immer noch Krieg und Gewalt gibt. Ich frage, ob die Zivilisation langfristig zivilisierter werde.

Woher beziehen Sie die ganzen Daten?

Im Mittelalter gab es keine Facebook-Nachrichten, die man analysieren könnte, also muss ich auch in die Archive steigen. Zum Glück machen internationale Organisationen inzwischen die Daten relativ einfach verfügbar.

Ist unsere herkömmliche Sicht der Dinge zu einseitig?

In einer aktuellen Umfrage sind zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass sich die Armut in den letzten Jahrzehnten verdoppelt habe. Aber dieser Pessimismus ist nichts Neues. «An wen kann ich mich heute noch wenden? Jeder schaut auf seine Mitmenschen herab. Es gibt keine Gerechtigkeit mehr. Die Erde ist Verbrechern ausgeliefert» – das ist ein Zitat aus dem alten Ägypten, ungefähr 2000 vor Christus.

Ungleichheit ist ein zentrales Thema Ihrer Arbeit.

Ungleichheit ist zu einem öffentlichen Thema geworden. Ich glaube aber, dass die Wahrnehmung dabei zu stark auf den USA liegt. Dort gibt es zwar Wirtschaftswachstum, aber die Einkommen am unteren Ende steigen kaum oder gar nicht. Das ist jedoch kein universales Phänomen. In vielen europäischen Ländern haben wir starkes Wachstum, das alle Bevölkerungsschichten erreicht.

Weshalb haben Sie eine eigene Website über Afrika eingerichtet?

Es ist immer noch eine verbreitete Ansicht, dass die Lebensbedingungen in Afrika miserabel seien und sich daran nie etwas ändern werde. Dabei verläuft vieles bemerkenswert positiv. Bildung und Gesundheit etwa haben sich sehr verbessert. Die wenigen Daten, die wir haben, weisen darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum hoch ist. Das Problem ist, dass die Nachrichten voll sind mit singulären Ereignissen. Viele der Trends, die ich auf der Afrika-Website aufzeige, sind aber sehr langsam, und es gibt keinen Grund, sie in die Tagesnachrichten aufzunehmen.

Was ist für Sie momentan das Interessanteste am Internet?

Wie real es werden kann. Man sitzt irgendwo und kommuniziert mit Leuten über dieses Interface, das wirkt so abstrakt. Ich war gerade in den USA, und plötzlich treffe ich diese Leute. Man kommt in Kontakt mit Menschen, die weit voneinander entfernt waren.

OurWorldinData.org

AfricainData.org

Ein Forschungssemester in Brasilien gab vor vier Jahren den Anstoss zu einem Buchprojekt, dessen Datenfülle sich nur noch mit Computerhilfe bändigen liess. Die Website erzählt die soziale, wirtschaftliche und ökologische Geschichte unserer Welt anhand sorgfältig erhobener Daten, die als interaktive Grafiken und Karten visualisiert sind.

Macher

Max Roser, 32, arbeitet am Institute for New Economic Thinking an der Universität Oxford. Der aus dem rheinland-pfälzischen Kirchheimbolanden gebürtige Weltbürger studier te in Berlin, Innsbruck und Wien Philosophie, Ökonomie und Geowissenschaf ten. Gemeinsam mit dem britischen Web-Entwickler Zdenek Hynek verwandelt Roser die Daten der Welt in interaktive Grafiken.

Dieser Artikel stammt aus dem Magazin NZZ Folio vom Dezember 2015 zum Thema "Star Wars". Sie können diese Ausgabe bestellen oder NZZ Folio abonnieren.